Homöopathie ist eine Heilmethode der komplementären Medizin, deren Grundlagen durch den deutschen Arzt Samuel Hahnemann seit Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt wurden. In den folgenden über 200 Jahren fanden homöopathische Heilverfahren weltweite Verbreitung. In Deutschland gehört die Homöopathie heute zu den bekanntesten und am häufigsten angewendeten alternativen Heilmethoden. Aus der Perspektive der Schulmedizin ist ihre Wirksamkeit allerdings umstritten.
Was ist Homöopathie?
Der Begriff der Homöopathie setzt sich aus den altgriechischen Wörtern homóios (gleich) und páthos (Leid) zusammen. Ins Deutsche lässt er sich als „gleiches Leiden“ übertragen. Er verweist damit auf das Gleichheitsprinzip als eine zentrale Grundlage der Homöopathie: Homöopathische Mittel sollen bei Patienten die gleiche Wirkung auslösen wie die Krankheit, die damit behandelt werden soll, und damit die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren.
Zur Geschichte der Homöopathie
Die Homöopathie geht auf den deutschen Arzt Samuel Hahnemann (1755 bis 1843) zurück, der diese heilkundliche Lehre seit den 1790er Jahren in systematischer und empirisch fundierter Form begründete. Als Hintergrund der Entwicklung und Durchsetzung der homöopathischen Lehre muss der aus Hahnemanns Sicht und praktischer Erfahrung unzureichende Stand der konventionellen Medizin dieser Zeit in Betracht gezogen werden – die Anfänge der Homöopathie können durchaus auch als Medizinkritik verstanden werden.
Samuel Hahnemann – der Begründer der Homöopathie
Begründer der Homöopathie war der deutsche Arzt Samuel Hahnemann (1755 bis 1843). Hahnemann wurde im sächsischen Meißen als Sohn eines Porzellanmalers geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Da er seinen Lehrern schon früh durch seine Intelligenz und sehr gute schulische Leistungen auffiel, durfte er die höhere Schule unentgeltlich besuchen und studierte danach in Leipzig, Wien und Erlangen Medizin. Besonders geprägt haben ihn seine Wiener Studienjahre am Spital der Barmherzigen Brüder, in denen er die praktische Medizin direkt am Krankenbett erlernte. Über seinen dortigen akademischen Lehrer Joseph von Quarin schrieb er später, dass er ihm alles verdanke, was an ihm als Arzt bezeichnet werden könne.
Nach seiner Promotion in Erlangen im Jahr 1779 war Hahnemann als Arzt, Chemiker, Schriftsteller und Übersetzer tätig. Eigene wissenschaftliche Schriften begann er ab 1785 zu publizieren. Wachsender wissenschaftlicher Anerkennung standen jedoch noch für viele Jahre wirtschaftliche Schwierigkeiten und auch hierdurch begründete ausgedehnte Wanderjahre gegenüber. Sein endgültiger Durchbruch als Wissenschaftler gelang ihm erst mit seiner Habilitation in Leipzig 1812, die bereits der Homöopathie verpflichtet war. Hahnemann wurde damit endgültig zum Begründer einer neuen heilkundlichen Richtung, nachdem er die Grundlagen der Homöopathie seit 1804 in systematischer Form entwickelt hatte. Im Übrigen geht auch der Begriff der Homöopathie direkt auf ihn zurück. Unwidersprochen blieben seine Auffassungen und damit die homöopathische Theorie und Praxis in der wissenschaftlichen Gemeinschaft seiner Zeit allerdings nicht. Bereits in seinen Leipziger Jahren (1811 bis 1821) hatte Hahnemann rund um seine Vorlesungen zahlreiche und ausgedehnte akademische Fehden zu bestehen. Auch danach fanden erbitterte Auseinandersetzungen um die Reinheit der homöopathischen Lehre statt, da Hahnemann – vor dem Hintergrund der Entwicklung der Schulmedizin seiner Zeit – es strikt ablehnte, homöopathische Behandlungen durch etablierte Therapiemethoden wie Abführmittel oder Aderlässe abzuschwächen.
Seine zweite Ehe mit der französischen Malerin Mélanie d’Hervilly führte Samuel Hahnemann ab 1834 schließlich nach Paris, wo er bis zu seinem Tod am 02. Juli 1843 sehr erfolgreich als homöopathischer Arzt praktizierte.
Entwicklung der Homöopathie als heilkundliches System
Die Anfänge der Begründung der Homöopathie als heilkundliches System reichen in die 1790er Jahre zurück. In dieser Zeit publizierte Hahnemann verschiedene pharmazeutische Schriften und ein seinerzeit sehr bekanntes und viel gelesenes Apothekerlexikon. Um die Wirkung potenzieller Arzneistoffe zu testen, nahm er parallel dazu Experimente an sich und anderen Personen vor. Die Erkenntnisse daraus flossen in einen 1796 publizierten Aufsatz ein, der bereits das Ähnlichkeitsprinzip als eine der wesentlichen Grundlagen der Homöopathie zum Thema hatte. Es bezieht sich auf den Ansatz, „Ähnliches mit Ähnlichem“ zu heilen – in Hahnemanns Text wird es mit zahlreichen empirischen Beobachtungen unterlegt. Die Begriffe der Homöopathie und der homöopathischen Arzneimittel wurden von Hahnemann erstmals in einem Aufsatz aus dem Jahr 1805 verwendet.
Im Jahr 1810 erschien die erste Auflage von Hahnemanns Grundlagenwerk zur Homöopathie unter dem Titel „Organon der rationalen Heilkunde“. In späteren Auflagen wurde es in „Organon der Heilkunst“ umbenannt. Es fasst bis heute die theoretischen Grundlagen der Homöopathie zusammen. Ein Jahr später publizierte Hahnemann den ersten Band seiner später sechsbändigen „Reinen Arzneimittellehre“, in der die homöopathische Pharmakologie experimentell begründet wurde.
Modifikationen an seiner Lehre der Homöopathie nahm Hahnemann in seinem Werk zu “Chronischen Krankheiten” (1. Auflage 1828 bis 1830) vor, was auch unter seinen Anhängern für erhebliche Irritationen sorgte. Zwar liegt auch dieser Schrift das homöopathische Ähnlichkeitsprinzip zugrunde, jedoch stellt Hahnemann in dieser Untersuchung fest, dass eine rein homöopathische Therapie nicht ausreicht, um bestimmte chronische Krankheiten zu behandeln, was allerdings mit heute nicht mehr haltbarem medizinischen Wissen begründet wurde. Homöopathische Substanzen sollten aus dieser Perspektive dabei helfen, die sogenannten Miasmen als Ursache chronischer Krankheiten zu bekämpfen. Miasmen sind ein Begriff aus der historischen Medizin, in der – vor der Entdeckung von Bakterien, Viren und anderen Krankheitsauslösern – sogenannten Ausdünstungen der Luft, des Wassers oder der Erde eine krankmachende Wirkung zugeschrieben wurde. In die späten 1820er und frühen 1830er Jahre fallen auch erste Versuche Hahnemanns, die bisher praktisch-empirisch ausgerichtete Lehre der Homöopathie theoretisch zu begründen. Die Basis dafür bildete der sogenannte Vitalismus, der davon ausgeht, dass allem Lebendigen eine besondere Lebenskraft oder ein Lebensstoff als eigenständiges Prinzip zugrundeliegt.
Einen wichtigen Beitrag zum Aufschwung der Homöopathie in den folgenden Jahren und Jahrzehnten leisteten Hahnemanns theoretische Texte zu den Cholera-Epidemien der Jahre 1830/1831, in denen er davon ausging, dass die Krankheit von Mikroorganismen übertragen wurde und eine – vor allem in Wien erfolgreich angewendete – antiseptische Behandlung empfahl. Zu den homöopathischen Behandlungserfolgen gegen die Cholera dürfte auch beigetragen haben, dass sich Hahnemann strikt gegen alle die Patienten schwächenden Behandlungsmethoden sowie gegen das von anderen Ärzten vertretene Trinkverbot der Kranken aussprach.
Homöopathie als Medizinkritik
Die heilkundliche Lehre der Homöopathie wurde von Hahnemann nicht zuletzt als ein Konzept entwickelt, das den etablierten schulmedizinischen Methoden seines Zeitalters entgegenstand. Viele medizinische Erkenntnisse und Behandlungsformen, die heute selbstverständlich sind, waren im ausgehenden 18. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch unbekannt. Dominierend war die sogenannte „heroische Medizin“, die darauf beruhte, Krankheiten mit brachialen Mitteln zu bekämpfen. Beispielsweise waren Aderlässe sowie die Gabe von Brech- und Abführmitteln weit verbreitet. Medikamente wurden zum Teil mit starken Giften wie Arsen oder Quecksilber zubereitet. Viele Patienten überlebten solche Kuren nicht. Zudem wurde diese Medizin maßgeblich theoretisch praktiziert – viele Ärzte orientierten sich dabei noch an der antiken Vier-Säfte-Lehre, die um 400 v. Chr. erstmals von Hippokrates entwickelt worden war und Krankheit darauf zurückführte, dass das Verhältnis der Körperflüssigkeiten (Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle) aus der Balance geraten war. Dementsprechend sollte „Entleerung“ dazu dienen, das Gleichgewicht der Körpersäfte wiederherzustellen.
Bereits aus Hahnemanns frühen Schriften geht hervor, dass die traditionellen Behandlungsmethoden ihn angesichts ihrer potenziellen Folgen für die Kranken in eine Gewissenskrise stürzten. Mit der Entwicklung der Homöopathie reagierte er nicht zuletzt auf die Missstände der damaligen Medizin und übte damit praktische und nach den Maßstäben der damaligen Zeit empirisch fundierte Medizinkritik.
Homöopathie in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Homöopathie in Deutschland starken Aufschwung. Homöopathische Mittel und Therapien waren vor allem in den höheren Gesellschaftsschichten beliebt. In den 1920er Jahren trugen hierzu auch die sich in immer stärkerem Umfang etablierende Naturheilkunde und die industriekritische Lebensreformbewegung bei. Das nationalsozialistische Regime versuchte ab 1933, schulmedizinische und alternative Heilverfahren in der sogenannten Neuen Deutschen Heilkunde zusammenzuführen, verlor jedoch zunehmend das Interesse an der Homöopathie.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Homöopathie in den beiden deutschen Staaten zunächst völlig unterschiedlich. In der früheren DDR war sie aufgrund staatlicher Interventionen nahezu bedeutungslos. In der alten Bundesrepublik nahm ihre Rolle vor allem ab den 1970er Jahren vor dem Hintergrund der wachsenden Beliebtheit von naturkundlichen und alternativen Heilverfahren wieder zu. Im Jahr 1978 wurde die Homöopathie im bundesdeutschen Arzneimittelgesetz zusammen mit der anthroposophischen Medizin und Phytotherapien als besondere Therapieform anerkannt, sodass homöopathische Mittel ohne schulmedizinische Wirksamkeitsnachweise zugelassen und verordnet werden konnten. Heute ist Homöopathie auf dem Gesundheitsmarkt in Deutschland eine feste Größe. Bisher werden homöopathische Mittel und Therapien auch von vielen gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Allerdings ist diese Praxis vor allem in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten – als Gegenargument dienen vor allem Zweifel an der Wirksamkeit des Heilverfahrens.
Grundlagen der Homöopathie
Die Homöopathie gehört zu den ganzheitlichen Heilverfahren. Im Fokus einer homöopathischen Behandlung stehen nicht nur körperliche Leiden und Beschwerden, sondern auch die Psyche des Patienten. Körper und Seele bilden für Homöopathen eine Einheit – durch die Therapie körperlicher Symptome soll auch die Seele heilen.
Entscheidend für die konkrete Gestaltung einer homöopathischen Therapie ist die individuelle Verfassung eines Menschen, die Hahnemann als dessen Konstitution bezeichnet. Hieraus resultieren jeweils bestimmte Eigenschaften und auch Krankheitsneigungen des Patienten. Für die homöopathische Behandlung von konstitutionell bedingten Krankheiten und Beschwerden kommen besonders hoch verdünnte Mittel – die sogenannten Konstitutionsmittel – zum Einsatz, denen von Hahnemann auch bei chronischen und schwerbehandelbaren Erkrankungen eine hohe Wirksamkeit zugeschrieben wurde.
Wesentliche Prinzipien der Homöopathie sind das Ähnlichkeitsprinzip, die homöopathische Arzneimittelprüfung sowie die sogenannte Potenzierung von pharmazeutisch wirksamen Substanzen.
Das zentrale Prinzip der Homöopathie – das Ähnlichkeitsprinzip
Das Ähnlichkeitsprinzip ist das zentrale Prinzip der Homöopathie: Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden – auf Lateinisch: Similia similibus curentur. Bereits in seinem Aufsatz aus dem Jahr 1796 schrieb Hahnemann, dass jedes wirksame Arzneimittel im menschlichen Körper eine „Art von eigener Krankheit“ erzeuge. Je stärker deren Symptome ausgeprägt seien, desto stärker wirke das Mittel. Angewendet werden solle jeweils eine Arznei, die in der Lage sei, die gleichen oder möglichst ähnliche Symptome zu erzeugen wie die Krankheit, die behandelt werden soll.
Hahnemann formulierte das Ähnlichkeitsprinzip auf der Grundlage von Selbstversuchen. Besonders bekannt ist dies im Zusammenhang mit seinem Chinarinden-Experiment aus den Anfangszeiten der Entwicklung der Homöopathie: Chinarinde wurde seinerzeit zur Behandlung der Malaria verwendet. Durch die Einnahme von Chinarinde entwickelte Hahnemann Malaria-Symptome. Durch das Ähnlichkeitsprinzip grenzte Hahnemann homöopathische Mittel und Verfahren strikt gegenüber sogenannten allopathischen, isopathischen und antipathischen Methoden ab. Alle drei Begriffe gehören zu der von ihm entwickelten Terminologie der Homöopathie:
- Allopathie bezeichnet den Einsatz von Arzneien mit einer im Vergleich zu den am Patienten beobachteten Symptomen völlig unterschiedlichen Wirkung. Sie orientieren sich nicht am Symptombild, sondern an einer durch den Arzt vermuteten Krankheitsursache.
- Isopathie führt zur Verschlimmerung der Krankheit, indem sie zur Behandlung den gleichen Stoff verwendet, der die Symptome verursacht hat.
- Antipathie liegt vor, wenn eine Arznei – beispielsweise in Form von Schlaf- oder Schmerzmitteln – der Krankheit entgegengesetzte Symptome erzeugt. Der Antipathie wird von Hahnemann eine kurzfristige und lediglich beschwichtigende Wirkung zugeschrieben.
Zur Behandlung von Krankheiten und Symptomen werden in der Homöopathie somit Mittel (Simile) eingesetzt, die die Krankheitssymptome zunächst verstärken. Als ein Beispiel: Kaffee kann Menschen in den Zustand der Schlaflosigkeit versetzen. In der klassischen Homöopathie wird er jedoch zur deren Bekämpfung eingesetzt. Er soll den Körper dazu anregen, gegen den Reiz des homöopathischen Mittels anzukämpfen und so die Schlaflosigkeit zu überwinden. Heute besteht unter Homöopathen ein Konsens darüber, dass die sogenannte Erstverschlimmerung nur von kurzer Dauer sein darf.
Aufgrund des Ähnlichkeitsprinzips ist die Homöopathie der Reiz- und Regulationsmedizin zuzuordnen, die Organismen als komplexe Netzwerke von Regelkreisen auffasst. Allerdings muss der Körper für eine sinnvolle Anwendung homöopathischer Mittel auch über Kraftreserven und intakte Regulationsmechanismen verfügen, was für die Beurteilung der Grenzen einer homöopathischen Behandlung von Bedeutung ist.
Die homöopathische Arzneimittelprüfung
Die klassische Homöopathie kennt über 6.500 homöopathische Mittel, die jeweils über eine eigenständige Ausgangssubstanz verfügen. Dabei kann es sich um organische, in der Regel pflanzliche Substanzen oder um anorganische (mineralische) Ausgangsstoffe handeln. Hinzu kommen die sogenannten Imponderabilien wie Sonnenlicht, Elektrizität, Magnetismus und Radioaktivität sowie Nosoden und Sarkoden. Bei Nosoden handelt es sich um homöopathische Mittel, die aus krankem menschlichen oder tierischen Gewebe hergestellt werden. Sie kommen ausschließlich im Rahmen homöopathischer Konstitutionstherapien zum Einsatz und gehören in die Hand eines sehr erfahrenen Therapeuten. Sarkoden sind nicht-pathologische menschliche oder tierische Substanzen. In Deutschland gab es im Jahr 2016 inklusive von Kombinationspräparaten – sogenannten Komplexmitteln – knapp 5.000 verkehrsfähige Homöopathika, die mit wenigen Ausnahmen apothekenpflichtig waren.
Homöopathische Arzneimittelprüfungen werden an gesunden Probanden durchgeführt, die anschließend alle Reaktionen und Symptome notieren, die sie durch die Einnahme verspüren. Die Ergebnisse mehrerer Prüfungen werden anhand dieser Aufzeichnungen zu einem Arzneimittelbild zusammengefasst. Hierbei können unterschiedliche Ordnungskriterien zum Einsatz kommen: Homöopathische Arzneimittellehren sind nach Mitteln geordnet, Repertorien beziehen sich auf die Symptome einer Krankheit. Für die Durchführung von homöopathischen Arzneimittelprüfungen existieren zwar Empfehlungen, jedoch keine verbindlichen Standards, was bereits im 19. Jahrhundert auch zu kritischen Diskussionen führte.
Potenzierung homöopathischer Arzneimittel
Pharmazeutische Substanzen, die in der Homöopathie verwendet werden, kommen in der Regel nicht in ihrer reinen Form als „Ursubstanz“ oder „Urtinktur“, sondern potenziert (dynamisiert) zum Einsatz. Um ein anwendungsfähiges homöopathisches Arzneimittel herzustellen, wird dessen Urtinktur wiederholt mit Wasser oder Ethanol verschüttelt. Ihr Mischungsverhältnis mit der ursprünglichen Substanz richtet sich nach der Art des Ausgangsstoffs.
Diese Verfahren bezeichnete Hahnemann als Potenzierung (Wirkungssteigerung). Ihre Einführung steht in direktem Zusammenhang mit der Erstverschlimmerung nach der Anwendung homöopathischer Arzneien. Um sie abzuschwächen, begann Hahnemann, die Urtinkturen zu verdünnen, zu verschütteln oder zu verreiben. Das Resultat bestand nicht nur in schwächeren Erstreaktionen, sondern auch in einer trotz der Verdünnung durch die Potenzierung höheren Wirksamkeit der Mittel. Dem Begriff der Potenzierung liegt Hahnemanns Auffassung zugrunde, dass homöopathisch angewendete Substanzen ihre Heilwirkung nicht aus sich selbst heraus, sondern durch dynamische Kräfte entfalten, die durch das Verdünnen und rhythmische Verschütteln entstehen.
Die Verdünnungen homöopathischer Mittel können sehr unterschiedlich sein. Schwache Verdünnungen – sogenannten Niedrigpotenzen – enthalten viele Wirkstoffmoleküle, in hochpotenten Mitteln sind wenig oder keine Wirkstoffanteile enthalten. Die Potenzen homöopathischer Arzneien werden in der D (Dezimal)-Reihe (römische Ziffer 10), der C (Centrum)-Reihe (römische Ziffer 100) sowie als LM- oder Q-Potenzen angegeben:
- D-Reihe: D1 bis D1.000. D1 besteht aus einer Verdünnung 1:10 (ein Teil Extrakt auf neun Teile Lösung). Mit der Wiederholung dieses Vorgangs wird die jeweils nächsthöhere Potenz erreicht. Beispielsweise entspricht D8 einer Verdünnung von 1:100.000.000.
- C-Reihe: C1 bis C1.000. Homöopathische Mittel dieser Reihe werden in größeren Verdünnungsschritten jeweils um den Faktor 100 verdünnt.
- LM- oder Q-Potenzen: Pro Verdünnungsschritt gilt hier der Faktor 1:50.0000.
Die Potenzen dienen auch zur Bezeichnung homöopathischer Mittel – als ein Beispiel. Aconitum D6 bezeichnet ein Präparat aus Eisenhut (lateinisch: Aconitum), dessen Urtinktur sechsmal im Verhältnis 1:10 verdünnt wurde.
Niedrige Potenzen – also schwach verdünnte homöopathische Mittel – eignen sich auch für die Selbstmedikation durch Laien. Auch viele Heilpraktiker wenden überwiegende Verdünnungen bis D4 oder D6 (1:10.000, 1:1.000.000) an. Hochpotenzen sollte grundsätzlich nur ein auch homöopathisch ausgebildeter Arzt verordnen. Für Konstitutionsbehandlungen in der klassischen Homöopathie werden Mittel mit einer Verdünnung ab D30 angewendet. Auch für eine homöopathische Therapie von psychischen Beschwerden werden in der Regel hochpotente Mittel eingesetzt.
Homöopathische Tropfen, Tabletten oder Globuli
Homöopathische Mittel können in flüssiger Form in Form von Lösungen auf Wasser– oder Ethanol-Basis sowie als Globuli verabreicht werden. Bei niedrigen Potenzen ist auch eine Einnahme als Tabletten möglich. Globuli sind mit einer homöopathischen Lösung imprägnierte Kügelchen aus Haushaltszucker (Saccharose). Nach Hahnemanns Originalrezeptur können sie auch Mehl enthalten. Ihre Größe variiert je nach der Art der Potenzierung.
Homöopathische Lösungen werden unter die Zunge geträufelt, Tabletten und Globuli an gleicher Stelle langsam aufgelöst. Globuli sollen für mindestens eine Minute im Mund belassen werden, damit der Wirkstoff auch über die Mundschleimhaut aufgenommen werden kann.
Am häufigsten werden homöopathische Mittel in Form von Globuli verwendet. Die klassische Homöopathie empfiehlt, für die Behandlung nur Einzelsubstanzen zu verwenden, um den Körper jeweils nur mit einem Reiz zu konfrontieren. In der Praxis spielen jedoch auch Komplexmittel mit mehreren Substanzen eine Rolle, die in der Regel als Tropfen oder Tabletten angeboten werden. Sie eignen sich gut zur Selbstmedikation und werden vor allem bei Erkrankungen mit einem festen Symptombild angewendet, wie es beispielsweise bei Erkältungen gegeben ist.
Der Grad der Potenzierung richtet sich nach der Art der Krankheit. Die Dosierung liegt bei fünf bis zehn Globuli/Tropfen oder einer Tablette dreimal täglich. Bei Akutzuständen sind jedoch auch deutlich häufigere Gaben möglich.
Ablauf einer homöopathischen Behandlung
Die Behandlung durch einen Homöopathen beginnt mit einer sehr ausführlichen, individuellen Anamnese, deren Ziel darin besteht, ein Leitsymptom zu identifizieren, das einem bestimmten homöopathischen Mittel zugeordnet werden kann. Erhoben werden:
- Psychische Symptome, denen in der Homöopathie besondere Bedeutung zugemessen wird
- Allgemeine Symptome
- Lokale Beschwerden
- Differenzierte Beschreibungen der Empfindungen, die mit einem bestimmten Symptom verbunden sind
- Äußere Faktoren – beispielsweise unterschiedliche Intensität der Beschwerden zu bestimmten Tageszeiten
- Beginn oder Auslöser der Symptome
Während der Anamnese gewinnt der Homöopath außerdem einen Eindruck vom allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten. Neben der allgemeinen Krankengeschichte werden auch Gewohnheiten, besondere Vorkommnisse und vorhandene Krankheitsdispositionen erfragt. Anschließend trifft er eine Therapieentscheidung, indem er das zur Behandlung am besten geeignete Mittel auswählt.
Welche Krankheiten können durch Homöopathie behandelt werden?
Eine homöopathische Behandlung kommt bei sehr unterschiedlichen Krankheitsbildern infrage. Gut geeignet ist sie vor allem für die Behandlung von funktionellen Störungen ohne direkte Beeinträchtigung der Organfunktionen, psychosomatischen Beschwerden und Allergien. Auch bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen und akuten Infektionen werden häufig homöopathische Mittel angewendet. Bei degenerativen Leiden mit Gewebeveränderungen kann Homöopathie einen Beitrag zur Linderung von Symptomen leisten.
Richtungen in der Homöopathie
Im Lauf der Zeit haben sich in der Homöopathie verschiedene Richtungen herausgebildet:
- Die klassische Homöopathie orientiert sich ausschließlich an den Lehren Hahnemanns und entsprechenden Weiterentwicklungen seiner Arbeit. Ein klassischer Homöopath arbeitet überwiegend mit mittleren und hohen Potenzen. In der Regel wird jeweils nur eine homöopathische Substanz verabreicht. Die Mittel werden nach einer individuellen Anamnese anhand des Symptombilds des Patienten ausgewählt. Klassische Homöopathen führen sowohl Akutbehandlungen als auch Konstitutionstherapien durch.
- Die naturwissenschaftlich-kritische Homöopathie setzt homöopathische Mittel als Ergänzung zu einer schulmedizinischen Behandlung ein, was bei Hahnemann nicht vorgesehen ist und von ihm als „Verrat“ betrachtet wurde. Die Arzneien werden ausschließlich in niedrigen Potenzen angewendet. Ihre Verordnung erfolgt nicht anhand des individuellen Symptombilds, sondern auf der Grundlage des Krankheitsbildes.
- Die Komplex-Homöopathie steht ebenfalls nicht im Einklang mit den Lehren Hahnemanns, da sie auf der Basis von bestimmten Krankheitsbildern oder klinischen Indikationen mehrere homöopathische Mittel zum Einsatz bringt.
Grenzen einer homöopathischen Behandlung
Als Homöopath praktizieren dürfen Ärzte mit einer entsprechenden Zusatzausbildung sowie Heilpraktiker. Patienten, die sich von einem Heilpraktiker homöopathisch behandeln lassen wollen, sollten einen zertifizierten Anbieter wählen, der über umfangreiche theoretische und praktische Kenntnisse in diesem Arbeitsfeld verfügt. Unabhängig von seinem Ausbildungsweg ist nicht nur wichtig, dass ein Homöopath sein Fachgebiet perfekt beherrscht, sondern auch die Grenzen einer homöopathischen Behandlung kennt und in der Praxis einhält.
In den folgenden Szenarien ist eine homöopathische Behandlung nicht angeraten, da sie die Krankheit verschleppen oder aus anderen Gründen gefährlich werden kann:
- Erschöpfte Körperkräfte des Patienten
- Mangelzustände (beispielsweise Vitamin– oder Calciummangel)
- Als alleinige Therapie bei einer Krebserkrankung
- Notfallmedizin bei Herzinfarkten oder Schlaganfällen
- Chronische Infektionen wie Tuberkulose, Hepatitis oder HIV
Generell ist sinnvoll, Homöopathie nur ergänzend zu einer schulmedizinischen Behandlung anzuwenden, um Symptome zu bekämpfen, bei denen konventionelle Therapiemethoden nicht die gewünschte Wirkung zeigen. Ein Beispiel dafür sind die Nebenwirkungen einer Chemotherapie.
Wie wirksam ist Homöopathie?
Die Wirksamkeit von Homöopathie ist wissenschaftlich nicht bewiesen. Vor allem in den letzten Jahren hat sich die Wirksamkeitsdebatte zu einem offenen Streitthema entwickelt, bei dem angesichts knapper Gesundheitsbudgets allerdings auch Kostenfragen eine Rolle spielen. Kritiker führen an, dass es bisher keine Studien gebe, die im Vergleich zu Placebos eine bessere Wirksamkeit entfalten würden. Hierzu trage auch bei, dass sich die Wirkung hochpotenter homöopathischer Mittel der wissenschaftlichen Evidenz entziehe.
Allerdings ist eine eindeutige Aussage zur Wirksamkeit homöopathischer Therapien aus anderen Gründen schwierig: Homöopathie funktioniert auf anderen Grundlagen als die konventionelle Medizin. In einer klinischen Studie werden alle Patienten gleich behandelt – sie erhalten entweder ein Medikament mit dem zu testenden Wirkstoff oder ein Placebo, sodass ein direkter Vergleich gegeben ist. Bei der homöopathischen Arzneimittelprüfung handelt es sich dagegen um individuelle Tests, bei denen verschiedene Substanzen zum Einsatz kommen. Dokumentiert und ausgewertet werden jeweils Einzelfälle. Als problematisch bei Studien zu homöopathischen Mitteln erweisen sich außerdem hohe Abbruchraten – sie kommen vor allem aufgrund der Tatsache zustande, dass Anhänger der Homöopathie oft das Konzept einer schulmedizinisch fundierten klinischen Studie nicht akzeptieren. Ein schlüssiger und von allen Seiten akzeptierter Wirksamkeitsbeweis für Homöopathie ist somit schwierig zu erbringen.
FAQ – Häufig gestellte Fragen zum Thema „Homöopathie“
Homöopathie ist eine Heilmethode, die ab ca. 1790 durch den deutschen Arzt Samuel Hahnemann entwickelt wurde. Sie beruht auf dem Ähnlichkeitsprinzip, das darauf setzt, Erkrankungen durch Mittel zu behandeln, die ähnliche Symptome hervorrufen wie die eigentliche Krankheit. Hahnemann setzte der damaligen Schulmedizin damit ein schonendes, ganzheitliches Konzept entgegen. Eine homöopathische Therapie bezieht grundsätzlich den Körper und die Psyche ein.
Homöopathie und Naturheilkunde sind nicht identisch. Die Homöopathie ist eines von komplementären oder alternativen Therapieverfahren, die zur Naturheilkunde zählen.
In der wissenschaftlichen Diskussion ist die Wirksamkeit von Homöopathie umstritten, was allerdings auch an ihren mit der Schulmedizin nicht direkt vergleichbaren Grundlagen und Verfahren liegt. Jedoch können homöopathische Mittel eine sinnvolle Ergänzung zu einer schulmedizinischen Behandlung sein. Zudem existieren in der Homöopathie verschiedene Richtungen. Vor allem die naturwissenschaftlich-kritische Homöopathie schlägt mit solchen Ergänzungen eine Brücke zur evidenzbasierten Medizin.
Homöopathische Mittel werden aus einer Urtinktur in unterschiedlichen Verdünnungen (Potenzen) hergestellt. Der Wirkstoffanteil von hochpotenten – also stark verdünnten – Mitteln ist sehr gering oder chemisch nicht mehr nachweisbar. Aus der Perspektive der klassischen Homöopathie verstärkt sich mit dem Verdünnungsgrad jedoch die Wirkung der Substanz. Die Gabe homöopathischer Arzneien erfolgt vor allem in Form von Globuli sowie von Tropfen und Tabletten.
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